Angeklagter Kaduk:
Na ja, Eindruck hatte man, wie ich Ihnen gesagt habe. Als ich in Auschwitz ankam, ich kam auf den Bahnhof, da hatten Sie schon einen guten Eindruck gehabt. Es war ja so gewesen, Herr Präsident: Wenn draußen die Öfen gebrannt haben,
da war so eine Stichflamme von fünf Metern. Fünf Meter hoch. Der ganze Bahnhof war voll von Zivilisten. Es hat niemand was gesagt. Es sind Urlauberzüge gekommen und haben in Auschwitz auf dem Bahnhof gestanden.
Ich hatte damals was zu tun gehabt. Meine Frau wollte damals kommen, wollte mir Wäsche bringen. Und ich habe sie gleich wieder abgeschoben, habe gesagt: »Fahr' zurück, ich habe viel zu tun. Ich habe keine Zeit für dich.« Und da hat sie mir nur geantwortet: »Wieso denn das? Du bist ja, Vati, meistens betrunken, wenn ich herkomme. Mit dir kann man überhaupt nicht reden.« Ich habe ihr auch gar nix gesagt.
Da waren doch Urlauberzüge gewesen am Bahnhof, die hatten einen Aufenthalt gehabt. Da war so eine schlechte Windverbindung gewesen, grade kam es alles auf den Bahnhof. Da war der ganze Bahnhof vernebelt. Die Wehrmachtsoffiziere und die anderen Kameraden von der Wehrmacht, die haben aus dem Fenster rausgeguckt und haben immer gezogen, und manche haben gesagt: »Hier riecht es so sauer und so süß.« Da haben sie die Fenster zugemacht. Keiner hat den Mut gehabt und muß doch gesagt haben: »Was ist denn hier eigentlich los in Auschwitz? Hier ist doch keine Zuckerfabrik oder keine Schokoladenfabrik gebaut worden. Was soll das mit den Schornsteinen?«
Auch die Alliierten haben es gewußt, als sie über Auschwitz rübergeflogen sind. Ich meine, man brauchte ja damals nur die Bahnverbindung in Schutt und Asche schmeißen. Man brauchte gar nicht mal die Öfen... Dann wäre es passiert gewesen. Denn wir hatten ja kein Benzin gehabt, um dann die Häftlinge... Aber die haben zugeguckt. Und darum nehme ich an, daß vielleicht das Dritte Reich ein Kapital schlagen wollte [aus] den Juden, sagen wir, mit den Juden. Und deswegen hat man das getan.
Ich sage das noch mal: Das war ein großes Verbrechen, das größte Verbrechen, das ich erlebt habe. Aber leider hat damals niemand... niemand hat nix gewußt. Die Herren, die heute vorgeladen worden sind, die ganzen Gruppenführer, Obergruppenführer, Generäle, die sagen, die wissen von gar nichts. Dann sage ich mir nur, dann sind die Juden freiwillig in die Gaskammer oder nach Auschwitz gekommen. Wir haben sie nicht transportiert. Wir haben sie nur empfangen. Die Polizei haben sie gebracht. Gendarmerie haben sie gebracht, alles. Und wir haben die Befehle ausgeführt. Und wir mußten - wenn heute einer sagt von den Herrn Nebenklägern: »Ja, Sie konnten sich an die Front melden«- erst mal in Auschwitz sein unter dieser Führung. Herr Präsident, ich sage Ihnen das: Es ist gut, daß wir den Krieg verloren haben. Denn wenn wir den Krieg gewonnen hätten, dann hätten sie uns, was wir in Auschwitz gesehen haben, die hätten uns umgelegt.
Mit solchen Gedanken habe ich mich befaßt. Und darum wollte ich von Auschwitz weg. Ich habe viele Kameraden gehabt, die früher bei den Aufständischen gewesen waren, vor 39. Die haben Deutsche mißhandelt, Deutsche geschlagen oder Deutsche getötet. Weil sie nur in die Kirche gingen zum Gottesdienst, haben die Polacken sie geschlagen, die Kinder und die Frauen. Und aufgrund dessen kam dann die Vergeltung von uns. Und die haben wir dann... War klar, daß die dann nach Auschwitz gekommen sind.
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